Der Zauber des Hauses Ramblings
 
 
Kate Field
Roman
Erscheinungstermin: 21. Januar 2019
464 Seiten, 12,5 x 18,7 cm
 
 
Der Zauber des Hauses Ramblings
Ein stolzes Herrenhaus und eine liebenswerte Dorfgemeinschaft stellen Cassies Leben auf den Kopf.
Als Cassie Bancroft auf dem englischen Land eine Stelle als Gesellschafterin antritt, will sie ihr altes Leben hinter sich lassen. Bei Frances Smallwood, Eigentümerin von »Ramblings«, einem stolzen Herrenhaus, wagt sie einen Neuanfang. Die Bewohner des nahen Ortes Ribblemill schließen die junge Frau sofort in ihr Herz, nur Barney, Frances’ Neffe, misstraut Cassie. Er glaubt, sie habe es auf das Geld seiner Tante abgesehen. Doch dann sieht er, wie Frances unter Cassies Fürsorge aufblüht. Was aber ist mit Cassie selbst? Öffnen ihr Freundschaft, Liebe und der Zauber von Ramblings einen Weg in die Zukunft?
 
 
Mal eine Abwechslung zu meinen Thriller´n.
 
Das Buch ist schön und Flüssig geschrieben.
 
Cassie ist mit ihrem Aktuellem Leben unzufrieden,sie ist verheiratet und hat auch einen Job aber sie ist es Leid sie mag es so nicht mehr.
 
So wird sie auf eine Anzeige aufmerksam und bewirbt sich auf die Stelle der Gesellschafterin.
 
Cassie findet sich sehr schnell in der Dorfgemeinschaft zu recht und ist bei allen naja bei fast allen Beliebt.
 
Der Neffe der alten Dame und auch Besitzerin des Herrenhaus Ramblings ist erst gar nicht von Cassie überzeugt und unterstellt ihr nur auf das Geld auszusein.
 
Aber nach einer gewissen Zeit wird auch er eines besseren belehrt und den Frances die Eigentümerin fühlt sich sehr geborgen bei Cassie und blüht immer mehr auf.
 
Es ist wirklich toll geschrieben und nimmt einen von der ersten Seite mit auf die neue Reise von Cassie.
 
Auch stellt man sich die Frage,kommt Cassie nun mit ihrem neuem Leben so zurecht oder bereut sie diesen Schritt gemacht zu haben?
 
So nach und nach erfährt man wie sich Cassie fühlt und kommt ihr Stück für Stück näher.
 
Und voller Neugierde wie nun die Zukunft von Cassie aussieht liest man Seite um Seite um der Auflösung ein Stück näher zu kommen.
 
Aber es ist nicht nur Liebe in der Story enthalten auch viel Missgunst,Neid und auch Trauer.
 
Alles in allem ist es eine Schöne Story die so auch im wahren Leben spielen und passieren könnte.
 
An vielen Stellen  gerät man regelrecht ins Träumen und versinkt richtig im Buch. Aber einige Stellen da wird man dann doch gerade auf dem Sessel den,wie gesagt es gibt Neid,Missgunst und Ungerechtigkeiten und Unterstellungen.
 
Das Ende ist nun nicht eine Große Überraschung aber toll und authentisch geschrieben.
 
Ein wirklich schönes Buch den Hauptsächlich ist ja doch die Freundschaft und das innige Verhältnis von Frances und Cassie im Vordergrund.
 
 
Leseprobe
 
 
In dem Moment, als Cassie die Anzeige in einer der
Zeitschriften sah, die sie eigentlich nur abstauben,
nicht lesen sollte, wusste sie, dass sie genau die Richtige
für diese Stelle war.
»GESUCHT: Im Hause wohnende Gesellschafterin für
selbstständige Dame in abgelegenem Dorf in Lancashire. Eigenes Zimmer vorhanden. Geschwätzigkeit unerwünscht. Referenzen erforderlich.«
Abgelegenheit und Schweigen, Letzteres sogar unterstrichen. Optimal. Cassie ging mit der Zeitschrift ins Arbeitszimmer, wobei sie darauf achtete, bloß keine Seite zu
zerknittern, suchte sich einen Zettel und schrieb die Annonce ab.
Ihr Stift schwebte über den letzten beiden Wörtern.
Referenzen? Woher nehmen und nicht stehlen? Ihr Blick
wanderte zum Computer und den Papierbogen mit Briefkopf daneben. Niemand würde es bemerken, wenn ein
Blatt fehlte. Das Passwort für den Computer klebte innen
in der Schreibtischschublade. Schließlich hatte sie nicht
umsonst im letzten Vierteljahr drei Tage pro Woche hier
gearbeitet. Sie würde höchstens fünf Minuten brauchen,
um sich etwas Passendes auszudenken. Und ihr Chef bei
der Putzfirma, der sie ohne Referenzen angeheuert und
nicht einmal nach einem Ausweis gefragt hatte, würde
doch sicherlich keine Skrupel haben, ihr eine Referenz
auf jeden gewünschten Namen auszustellen.
 
Ihr Gewissen meldete sich, nur dass ein Gewissen zu
den Luxusgütern gehörte, die Cassie sich nicht mehr leisten konnte. Mit zitternden Fingern schaltete sie den Laptop ein und tippte einen Brief, in dem sie ihre Qualitäten
anpries und dabei Formulierungen verwendete, die, wie
sie hoffte, einfach unwiderstehlich klangen. Sie brauchte
diesen Job. Es war Zeit für einen Neuanfang.
Zwei Wochen später schleppte sich Cassie zu Fuß eine
gewundene Straße in Lancashire entlang. Unter dem Gewicht ihres Armee-Rucksacks gaben ihr fast die Knie
nach. In ihrer Erschöpfung fühlte sich jeder Schritt an
wie zehn, und wenn ihre Füße nicht wegen der Februarkälte taub gewesen wären, hätten sie wohl wehgetan.
Doch ihr Herz war so leicht wie schon seit Monaten nicht
mehr. Rings um sie herum erstreckte sich eine idyllische
Landschaft, ungestört von jeglichen Spuren menschlichen
Lebens. Es war beinahe so schön wie zu Hause. Genau
die Abgeschiedenheit, nach der sie sich sehnte.
Sie ließ den Rucksack zu Boden gleiten, lockerte ihre
Schultern und trat einen Schritt vor, um das weidende
Lamm auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu betrachten.
 
Eine Hupe gellte. Cassie spürte einen Luftzug, als ein
Auto ihr ruckartig auswich und an der Hecke zum Stehen
kam. Das Mutterschaf rannte los. Ihr schlammverkrustetes braunes Hinterteil wippte auf und nieder, das Lamm
folgte ihr auf den Fersen.
»Warum springen Sie ohne Vorwarnung auf die Straße,
verdammt?«
Cassie starrte in ein dunkles, stoppeliges Gesicht.
Schwarze Brauen trafen sich über zornig blitzenden braunen Augen, und wegen des struppigen Barts konnte sie
nur mit Mühe ärgerlich zusammengepresste Lippen erkennen.
»Sie haben die Schafe erschreckt«, sagte sie und beobachtete, wie die Tiere am anderen Ende der Weide stehen
blieben.
»Was?« Kurz schaute der Mann in dieselbe Richtung
und wirbelte dann herum. »Sie dumme Kuh. Ich hätte Sie
totfahren können. Diese Straße ist eine Rennstrecke.«
Dumme Kuh… Eine andere Stimme drängte sich in
Cassies Verstand, und sie wich zurück.
Ein kräftiger Ruck am Arm riss sie von der Straße, als
wieder ein Auto um die Kurve raste.
»Was ist nur los mit Ihnen? Sind Sie lebensmüde?«
Der Mann wirkte noch erboster und gereizter.
»Tut mir leid.« Cassie kratzte sich am rechten Daumenknöchel und wünschte sich, der Mann möge verschwinden.
»Wo wollen Sie hin? Nach Ribblemill?«
»Ja.«
»Ich nehme Sie mit.« Er griff nach Cassies Rucksack
und warf ihn auf die Ladefläche seines Pick-ups. Als er die
Beifahrertür öffnete, sprang ein brauner Border Collie
heraus. Er rannte auf Cassie zu, um sie zu beschnuppern,
und sie bückte sich und vergrub die Finger in seinem weichen Fell. Der Hund leckte ihre Hand. Seine Zunge war
rau und warm. So eine liebevolle Berührung hatte sie
schon seit Monaten nicht mehr gespürt.
»Gin, komm her, mein Mädchen.«
Die Hündin ließ Cassie stehen und kehrte zu dem
Mann zurück, der sie auf die Ladefläche hob. Dann sah er
Cassie an.
»Steigen Sie ein. Zum Rumstehen ist es zu kalt.« Als
Cassie sich nicht rührte, kratzte er sich seufzend mit dem
Fingernagel den Bart. »Es passiert Ihnen nichts. Entschuldigung, dass ich Sie angeschrien habe, okay? Letztes Jahr
wurde ein Mädchen hier aus der Gegend auf dieser Straße
überfahren. Ich will nicht, dass sich das wiederholt.«
Inzwischen war sein Tonfall sanfter, und der Zorn in
seinen Augen wurde von Besorgnis abgelöst. Offenbar
war diese nicht nur vorgespielt, was sie gleichermaßen
überraschte und beunruhigte. Cassie brauchte keine
Minute, um sich zu entscheiden und in den Pick-up zu
steigen. Was hatte sie zu verlieren? Alles, was sie noch
besaß, befand sich in dem Rucksack, und den hatte er ja
schon.
Nach fünf schweigend verbrachten Minuten stoppten
sie dicht hinter einem soliden Buswartehäuschen aus
Stein. Cassie nahm an, dass es sich hier um das Zentrum
des Dorfs handelte. Die Straße gabelte sich und mündete
dann in einer dritten Straße, sodass in der Mitte ein drei
eckiger Dorfanger entstand. Für ein Dorf im Nirgendwo
war die Versorgung erstaunlich gut. Ein Pub, die Fassade
altersgeschwärzt, nahm die eine Seite des Dreiecks ein.
Außerdem konnte Cassie ein Postamt, einen Gemischtwarenladen, eine Metzgerei und einen Haushaltswarenladen ausmachen. Auf dem Gehweg davor stapelte sich
eine beeindruckende Ansammlung von Bürsten, Mopps,
Eimern und anderen Utensilien.
»Das ist Ribblemill«, verkündete der Mann, stellte den
Motor ab und unterbrach damit Cassies Musterung ihres
hoffentlich neuen Zuhauses. »Wissen Sie, wo Sie hinmüssen?«
Cassie spähte durch die Windschutzscheibe. Die Straßen hatten alle keine Namen. Sie schüttelte den Kopf.
»Welches ist die Wood End Road?«
»Die da.« Er wies auf die Straße, die auf der gegenüberliegenden Seite des Dreiecks hinter dem Postamt verschwand. »Da gibt es nicht viel. Waren Sie schon mal
hier?«
»Nein«, gab Cassie zu. »Ich suche ein Haus namens
Ramblings. Kennen Sie es?«
Die Stimmung im Auto änderte sich merklich. Der
Mann drehte sich zu Cassie um.
»Was wollen Sie dort?«
»Ich bin mit der Besitzerin Mrs Smallwood verabredet.«
»Wieso?«
»Geht Sie das etwas an?«
»Warum verraten Sie es mir nicht? Möchten Sie wirklich Mrs Smallwood sprechen?«
Cassie wunderte sich, weil er sie so argwöhnisch ansah,
obwohl er es doch war, der sich sonderbar verhielt. Sie
streckte die Hand nach dem Türgriff aus.
»Moment! Ich bin unterwegs nach Ramblings. Ich
kann Sie hinfahren.«
Wirklich ein erstaunlicher Zufall. Aber wer konnte
wissen, was unter all dem Haar in seinem Kopf vorging?
»Kein Problem. Ich schaffe das auch zu Fuß.«
»Es sind über zwei Kilometer.«
Cassie ließ den Türgriff los. Sie spürte bereits, dass sie
sich für diesen Tag zu viel vorgenommen hatte.
Außerdem hatte sie keine Ahnung, wie sie den Weg
zurück zu öffentlichen Verkehrsmitteln finden oder, noch
wichtiger, wohin sie fahren sollte, falls das Vorstellungsgespräch erfolglos war. Zum ersten Mal bereute sie es,
spontan ihren Job und ihr Zimmer aufgegeben zu haben,
um hierherzukommen.
»Ich muss im Dorf noch was erledigen, dann fahren
wir. Dauert nur fünf Minuten. Einfach warten.«
Der Mann war schon fast ausgestiegen, als Cassie klar
wurde, dass er mit ihr, nicht mit dem Hund sprach. Der
Hund durfte mit. Sie blickte ihnen nach, wie sie die
Straße in Richtung Haushaltswarenladen überquerten.
Kurz darauf erschienen sie wieder und gingen über den
Anger zum Pub. Erledigungen! Cassie schnaubte höhnisch.
Wahrscheinlich eher ein schnelles Bier. Sie schaute zum
Gemischtwarenladen. Wenn er einen trank, konnte sie
rasch hinüberhuschen und zurück sein, bevor er bemerkte, dass sie sich von der Stelle gerührt hatte. Sie kletterte
aus dem Wagen, nahm ihre Tasche und machte sich auf
den Weg.
 
Fünf Minuten später trat Cassie aus dem Laden und
stöhnte innerlich auf, als sie feststellte, dass der Mann
neben seinem Pick-up stand und die Straße hinauf- und
hinuntersah. Sie spürte die Wellen der Verärgerung, die
ihr entgegenschlugen.
»Wo waren Sie?«, fragte er, sobald sie in Rufweite war.
»Ich habe doch gesagt, dass Sie warten sollen.«
»Im Laden.«
»Weshalb? Haben Sie sich nach mir erkundigt?«
»Nein. Ich habe Tabletten gebraucht«, erwiderte sie in
der Annahme, dass diese Antwort das Verhör doch sicher
beenden würde. Sie bereute, dass sie die Gelegenheit nicht
genutzt hatte, um Fragen über ihn zu stellen. War der
Mensch tatsächlich verrückt oder nur gut darin, es vorzutäuschen?
»Was für Tabletten? Sind Sie krank?«
»Menstruationsbeschwerden«, improvisierte sie, überzeugt, das Gespräch damit endlich abgewürgt zu haben.
Sie stellte ihre Tasche auf die Ladefläche neben den Hund
und setzte sich auf den Beifahrersitz. Der Mann ließ zwar
den Motor an, fuhr aber nicht los.
»Welche Tabletten haben Sie gekauft?«
»Ibuprofen.«
»Die sollten Sie nicht auf nüchternen Magen nehmen.
Haben Sie etwas zu essen da?« Cassie schüttelte den Kopf.
Er streckte die Hand aus und öffnete das Handschuhfach.
Es war mit Schokoriegeln vollgestopft. Möglich, dass er
unter Cassies erstauntem Blick errötete, doch das war
wegen des Barts nur schwer festzustellen. »Bedienen Sie
sich.«
 
»Ich esse keine Schokolade.«
Er klappte das Handschuhfach wieder zu und förderte
aus dem Seitenfach in der Tür einen Apfel zutage. Nachdem er ihn an seiner Jeans abgewischt hatte, warf er ihn
Cassie zu. Sie biss hinein. Seine Bazillen waren ihr lieber
als seine Fragen.
Die Straße aus dem Dorf führte an einigen Häuschen
vorbei. Bald waren auf beiden Seiten nichts als hügelige
Felder zu sehen. Als sie ein Wäldchen erreichten, bog der
Pick-up plötzlich zwischen zwei kunstvoll verzierten Steinsäulen ab und rollte eine äußerst gepflegte Auffahrt entlang. Cassie erstarrte. Etwas stimmte hier nicht.
»Ich dachte, Sie bringen mich nach Ramblings.«
»Genau das tue ich doch.«
»Aber …«
Cassie verschlug es die Sprache, als sie auf dem mit
Kies bestreuten Vorplatz eines Hauses hielten, das man
mit Fug und Recht als Herrenhaus bezeichnen konnte. Es
bestand aus hellgrauem Stein und verfügte über verschnörkelte Türmchen und Türme an den Ecken des Daches,
aus dem gewaltige Kamine ragten. Symmetrie oder Ordnung waren nicht zu erkennen. Es sah aus, als habe
jemand seine sämtlichen Fantasien an einem Gebäude
ausgelebt. Allerdings mit Erfolg. Es war wunderschön.
»Ist das Ramblings?«
»Ja. Was haben Sie erwartet?«
Cassie zuckte beiläufig die Achseln, was genauso gut
wie eine Lüge war. Denn nach einem kurzen Gespräch
mit Frances Smallwood hatte sie sich ein klares Bild gemacht. Sie hatte mit einem freistehenden Haus gerechnet,
vielleicht im edwardianischen Stil. Mit ordentlichen Gärten und drinnen mit Unmengen von Porzellanfigürchen
auf Spitzendeckchen. Niemals im Leben hätte sie sich so
etwas ausgemalt.
Ihr Begleiter zog wieder die Augenbrauen zusammen.
»Sie haben doch sicher recherchiert, ehe Sie hergekommen sind.«
»Ich habe keinen Computer.« Sie hatte nicht gewagt,
die Computer in den Häusern, in denen sie putzte, zu
benutzen, da sie keine Spuren hatte hinterlassen wollen.
Um die Adresse zu ermitteln, war sie in den nächsten Drogeriemarkt gegangen und hatte auf einer Landkarte nachgesehen, wo das Dorf lag und wo sich der nächste Bahnhof befand. Das Haus selbst war ihr nicht wichtig
erschienen. In der Anzeige war von einem eigenen Zimmer die Rede gewesen, und in den letzten Monaten hatte
sie gelernt, dass sie eigentlich nicht mehr als das brauchte.
Der Mann starrte sie sichtlich zweifelnd an.
»Warum sind Sie hier?«
»Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Ich bin mit
Mrs Smallwood verabredet.« Sie öffnete die Wagentür.
»Danke fürs Mitnehmen.«
Sie sprang aus dem Pick-up, aber bevor sie ihren Rucksack von der Ladefläche nehmen konnte, stand der Mann
bereits neben ihr, griff selbst danach und schulterte ihn,
als enthielte er nichts weiter als Spinnweben.
»Ich stelle Sie vor«, meinte er und ging voran, unter
einem dekorativen Baldachin über der Tür hindurch, der
Cassie an einen Betthimmel erinnerte. Ohne zu läuten,
riss er die massive Eichentür auf und trat in eine Vorhalle
von der Größe eines Tennisplatzes. Die Wände waren
holzvertäfelt, mit Bogen, die sich über den Fenstern, den
Türrahmen und dem Kamin wiederholten.
»Frances!«, rief er. Keine Antwort. »Wahrscheinlich ist
sie im Frühstückszimmer.«
Er marschierte los, und Cassie hastete hinter ihm her
durch einen riesigen Türbogen und einen Flur entlang,
bis er durch eine Tür stürmte.
»Da bist du ja«, hörte Cassie ihn sagen. Sie blieb zurück, nicht sicher, ob sie ihm folgen oder in der Vorhalle
warten sollte. »Warum hast du die Füße hochgelegt?
Fühlst du dich nicht wohl?«
Es war eine einfühlsamere Version des fragenden Tonfalls, den er gegenüber Cassie angeschlagen hatte.
»Barney! Ich hätte nicht gedacht, dass du heute kommst.«
Die antwortende Stimme war weiblich und klang gereizt.
»Ich habe nur meine Beine ausgeruht. Veranstalte nicht so
ein Tamtam und verschwinde in dein Büro.«
»Warum die Eile? Störe ich?«
»Nichts, was dich etwas anginge. Ich erwarte Besuch.«
»Dann geht es mich etwas an, denn ich habe dir jemanden mitgebracht. Habe ich wenigstens geglaubt. Oder ist
sie schon abgehauen?« Cassie hörte Schritte. Dann spähte
der Mann, Barney, um die Tür herum. »Offenbar haben
Sie die Wahrheit gesagt. Wenigstens, was Ihre Verabredung
betrifft. Am besten kommen Sie rein.«
Cassie öffnete die Tür und stand in einem großen,
jedoch erstaunlich gemütlichen Zimmer, ausgestattet in
einem beruhigenden Blauton mit bequemen Sofas und
Sesseln. Es war kein einziges Spitzendeckchen zu sehen.
Eine alte Dame erhob sich aus einem Sessel. Sie war
makellos mit einem ausgestellten Rock aus Wollstoff,
einer Seidenbluse und einer Strickjacke bekleidet. Ihr
graues Haar war zu einer schmeichelhafteren Version der
Frisur der Queen gelegt.
»Miss Bancroft? Schön, dass Sie hier sind. Ich bin Frances Smallwood.«
Sie ließ einen eindringlich prüfenden Blick über Cassie
schweifen. Diese schaute zurück und wurde sich verzweifelt dessen bewusst, dass sie den Job nicht bekommen
würde, falls man sie nach ihrem Äußeren beurteilen sollte.
»Setzen Sie sich doch. Sie sind ja ganz erschöpft. Hatten Sie eine anstrengende Reise?«
»Eigentlich nicht. Nur die letzten Kilometer…«
»Nicht, bis sie mich fast von der Straße gedrängt hätte«, unterbrach Barney. »Sie ist aus der Hecke gesprungen
wie ein Kaninchen.«
»Bist du immer noch da?« Frances sah ihn verärgert an,
ehe sie sich wieder an Cassie wandte. »Warum waren Sie
auf der Straße? Wo war Ihr Auto?«
»Ich habe keins.«
»Kein Auto? Aber ich habe angenommen…« Frances’
Stimme erstarb.
»Das ist kein Problem. Die Abgelegenheit stört mich
nicht. Ich möchte nirgendwo hinfahren.«
Aus dem Augenwinkel bemerkte Cassie, dass Barney
näher an Frances heranrückte. Sie schaute auf und stellte
fest, dass sein kühler, abschätzender Blick auf ihr ruhte.
Es war schlimmer als die Musterung durch Frances. Cassie kauerte sich in ihrem Sessel zusammen.
 
»Was wird hier gespielt, Frances? Ist sie meinetwegen
hier? Fangen die Journalisten schon wieder an?«
»Es hat nichts mit dir zu tun. Miss Bancroft hat sich als
meine Gesellschafterin beworben.«
»Deine was?«
Barneys verdatterte Miene wäre amüsant gewesen, wenn
Cassies Lippen nicht vergessen hätten, wie man lächelte.
»Meine Gesellschafterin.« Frances verschränkte die
Hände auf dem Schoß. »Jemand, der mir Gesellschaft
leistet. Ein anderer Mensch im Haus.«
»Ich gehe hier doch täglich ein und aus!«
»Du arbeitest«, entgegnete Frances. »Außerdem bist du
nachts nicht hier.«
»Das ließe sich ändern. Ich ziehe ein.«
»Das wäre meiner Ansicht nach kaum passend. Ich
wünsche nicht, dass hordenweise fremde Damen in Unterwäsche durch mein Haus spazieren.«
»Warum hast du dann eine dazu aufgefordert, mit dir
zusammenzuwohnen?«
Cassie schob sich ein Kissen aufs Knie und wäre am
liebsten im Sessel versunken. Sie sah Barney an, der sie
mit herausfordernd zusammengezogenen Augenbrauen
anstarrte. Zum ersten Mal seit ihrer Begegnung auf der
Straße betrachtete sie ihn eingehender. Er war jünger, als
sie gedacht hatte, vielleicht Mitte dreißig, also etwa in
ihrem Alter. Sein dichtes Haar war kastanienbraun, allerdings ziemlich zerzaust. Und wenn er ausnahmsweise
nicht die Stirn runzelte, hatte er große, ausdrucksstarke
Augen. Also ein attraktiver Mann. Trotz Bart. Möglicherweise rannten die Frauen ihm ja wirklich die Tür ein,
vorausgesetzt, sie hielten sich die Ohren zu, damit sie ihn
nicht herumschreien hörten. Und falls sie seinen durchdringenden Blick ertrugen, mit dem er einem durch Haut
und Knochen direkt in die Seele zu sehen schien. Cassie
umklammerte das Kissen fester.
»Miss Bancroft hat nichts Seltsames an sich. Du musst
sie dir nur ansehen, um zu bemerken, dass sie absolut
normal ist.«
Nun wurde sie von zwei Augenpaaren gemustert. In
dem einen spiegelte sich ein schwacher Hauch von Zweifel, in dem anderen eindeutig Ungläubigkeit. Cassie erwiderte schweigend die Blicke und freute sich über das
unbeabsichtigte Kompliment. Normal! Seit Monaten, ja,
vielleicht sogar seit Jahren hatte sie sich nicht mehr normal gefühlt.
»Ihr kennt euch nicht. Du weißt nichts über sie. Von
welcher Agentur kommt sie?«
»Agentur? Ich brauche eine Gesellschafterin, keine
Leibwächterin.«
»Ich meinte einen Pflegedienst.« Barney kauerte sich
neben Frances. In ihren Blicken schwangen so viele Worte
mit, die Cassie zwar sehen, jedoch nicht hören konnte.
»Wenn du wirklich dazu entschlossen bist, brauchst du
jemanden, der weiß, was er tut und womit zu rechnen ist.
So klappt das nicht.«
Cassie warf das Kissen beiseite. Alle für das Vorstellungsgespräch eingeübten Sätze waren plötzlich wie weggeblasen.
»Ich schaffe das«, sagte sie. »Bitte geben Sie mir eine
Chance. Ich brauche diesen Job.«
 
Frances sah sie so streng an, dass Cassie schon glaubte,
es vermasselt zu haben. Doch dann nickte sie fast unmerklich, aber entschlossen, eine Geste, die Verständnis und
Zustimmung zu vermitteln schien.
»Ich glaube, ich kann meine Bedürfnisse am besten beurteilen«, meinte Frances zu Barney. »Ich lasse mich nicht
unter Druck setzen, nicht schon wieder, nicht in meinem
eigenen Haus und ganz sicher nicht jetzt. Ich stelle Miss
Bancroft als meine Gesellschafterin ein, und du, Barnaby
Smallwood, wirst dich daran gewöhnen müssen.«............
 

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