Die Psychologin

 

 

 

 


Die 30-jährige Psychologin Sara behandelt Jugendliche mit familiären Problemen. Sie und ihr chronisch überarbeiteter Mann Sigurd sind vor kurzem in ein Haus mit Blick über Oslo gezogen, dort befindet sich auch Saras Praxis. Als Sigurd zu einer Übernachtung bei Freunden aufbricht, ist das letzte, was sie von ihm hört, eine Nachricht auf ihrer Mailbox, dass er gut angekommen sei. Doch noch am selben Abend ruft Sigurds Freund an und teilt ihr mit: Er war nie dort. Hat Sigurd gelogen? Was ist geschehen? Plötzlich fühlt sich Sara in dem großen Haus mit seinen vielen noch unfertigen Zimmern unwohl. Als die Polizei erscheint und sie befragt, beginnt sie zu ahnen, dass der Schlüssel zu Sigurds Verschwinden in ihrer Erinnerung liegt.

Je näher sie der Wahrheit kommt, desto schwerer fällt es Sara, die Kontrolle über ihr Leben zu behalten. Verliert sie, die gelernt hat, die Emotionen anderer Personen zu deuten, ihre so wichtige Intuition?

 

Die Story klingt sehr gut und ist auch genau meine Richtung. Beim Lesen jedoch muss ich sagen ist es sehr Langatmig den  man befasst sich viel mit den Zwiegesprächen mit Sara und es wird meiner Meinung nach viel zu viel ins Detail gegangen. Es wird sehr viel drum herum geredet und teilweise auch viel Sinnloses eingebaut den mich Interessierte Zum Beispiel nicht wer warum und wieso auf welchen Stuhl sitzt. Wen man einige stellen einfach überliest ist es ein netter Krimi. 

Der Anfang ist auch schon sehr schleppend den wir fangen mit Therapie Stunden an.

Wenn man gewisse Sachen überliest oder überfliegt wird es dann doch noch sehr Spannend und das Ende ist auch nicht unbedingt vorhersehbar. Mein Buch war es nun eben nicht aus besagten Gründen aber einige lieben ja das Detaillierte und für die könnte es Super sein.

 

Leseprobe

 

Freitag, 6. März: 

Die Nachricht


Es war noch dunkel, als er ging. Ich wurde wach, als er sich über mich beugte und mich auf die Stirn küsste. Ich gehe jetzt, flüsterte er. Im Halbschlaf drehte ich mich um. Er trug seine Jacke und einen Rucksack über der Schulter. Gehst du?, murmelte ich. Schlaf einfach weiter, sagte er. Ich hörte seine Schritte auf der Treppe, döste aber wieder ein, noch bevor die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. 


Als ich wieder aufwache, liege ich allein im Bett. Durch einen Spalt zwischen Rollo und Fensterbank fällt ein milder Sonnenstrahl auf mein Auge und weckt mich. Es ist halb acht. Keine schlechte Zeit, um aufzustehen. Ich schlurfe barfüßig ins Bad, trotze den Holzsplittern auf dem Boden im Flur und den nassen Holzpaletten, die auf dem Lehmboden im Bad liegen. Dort drinnen haben wir keine Deckenlampe, aber Sigurd hat eine Arbeitslampe aufgestellt, als er die Fliesen abklopfte, und die steht immer noch da, beunruhigend dauerhaft. Zum Glück ist es jetzt hell genug, sodass ich die Lampe nicht brauche. Sie ist effektiv, wie Arbeitslampen im Allgemeinen, mit einem harten, weißen Licht, in dem ich mich so entblößt fühle wie früher in der Sportumkleide der Schule.


Ich drehe das Wasser in der Dusche auf, damit es sich aufwärmt, während ich mich ausziehe. Der Boiler müsste ausgetauscht werden, aber Sigurd duscht immer nur kurz, und ich muss mir heute nicht die Haare waschen, sodass es reichen wird. Die Duschkabine ist aus Plastik. Auch sie sollte nur eine vorübergehende Lösung darstellen. Sigurd hat eine Duschnische für uns gezeichnet, mit einer Mauer und einer Glastür und kleinen blaugesprenkelten und weißen Kacheln. Von allen halbfertigen Räumen im Haus wird der Stillstand im Bad am deutlichsten. Die alten Fliesen sind weg, die neuen noch nicht verlegt. Wir haben keine Lampen, keine ordentliche Gardine. Wir laufen auf den Paletten, um den Boden nicht zu beschädigen, das Wasser kommt aus einem Loch in der Wand, und dann diese provisorische Duschkabine, ein uraltes Überbleibsel von Sigurds Großvater. Eine Zeitlang konnte ich das Haus sehen, wie es einmal werden würde, wenn ich diese verlassene Baustelle betrat: die blau gesprenkelten Kacheln, die glatten Mauern, die eingelassenen Lampen; ich spürte die warmen Bodenfliesen unter meinen Füßen und das warme Wasser, das in perfekten Mengen aus dem modernen Duschkopf mit den verschiedenen Einstellmöglichkeiten floss. Jetzt sehe ich lediglich die ganze Zeit, die das alles noch in Anspruch nehmen wird. Während ich die Hand hineinhalte und spüre, wie die Temperatur im Strahl langsam steigt, wird mir plötzlich bewusst, dass ich nicht mehr daran glaube, dieses Haus jemals in einem fertigen Zustand zu sehen. Unter dem warmen Wasser werde ich wach. Hier drinnen ist es kalt. Im Schlafzimmer lässt es sich ertragen, im Bad ist es eis[1]kalt. Der Winter war lang, und ich habe jeden Morgen nackt auf der Stelle getrippelt und die Hand unter den Duschstrahl gehalten. Jetzt geht es immerhin langsam auf das Frühjahr zu.


Die Dusche tut mir gut, sie prasselt auf meine kalte Gänsehaut, und ich sammle das Wasser in meinen Händen und tauche das Gesicht hinein, spüre, wie es mich endgültig aus der Nacht herauszieht, wie der Tag übernimmt. Freitag. Drei Patienten, mein übliches Freitagsgrüppchen. Erst Vera, dann Christoffer, und am Ende Trygve. Es ist unklug, Trygve am Freitag als Letzten einzuplanen, aber wenn die Stunde vorbei ist, lasse ich mich jede Woche aufs Neue dazu verleiten. Ich sammle noch eine Handvoll Wasser, tauche das Gesicht hinein und reibe mir die Wangen. Sigurd wird mit seinen Freunden bis Sonntag im Norefjell bleiben. Ich bin das ganze Wochenende allein. Ich gehe wieder ins Schlafzimmer, um mich anzuziehen, möchte mich keine Sekunde länger als nötig in dem kalten Bad aufhalten. Unsere Bettdecken liegen zerknäult auf dem Bett. Sie riechen muffig nach Schlaf, meine jedenfalls, seine vermutlich auch. Ich habe nicht auf die Uhr gesehen, als er sich verabschiedete, vielleicht ist es schon mehrere Stunden her. Wir haben keinen Schrank, aber Sigurd hat eine Metallstange zwischen dem Kaminschacht und der Wand montiert, wo wir Kleider, Hemden und Jacken aufgehängt haben. Seine wild durcheinander, meine ordentlich aufgereiht und nach Farben sortiert. Ich betrachte seine Sachen, es sieht nicht so aus, als würde etwas fehlen, aber er wollte ja auch direkt in die Berge fahren. Der Rucksack, der auf dem Boden stand, ist weg, und jetzt erinnere ich mich wieder, dass er ihn über der Schulter trug, als er aufbrach. Ich will eine Bluse und eine Hose anziehen, mich ordentlich und neutral für den Tag kleiden, und während ich eine weiche, taubenblaue Bluse auswähle, denke ich, dass ich schon in ein paar Stunden wieder hier hinaufkommen und meine Sportklamotten holen kann, wenn ich ins Fitnessstudio gehe, oder eine Jogginghose und ein weißes T-Shirt anziehen, wenn nicht.


Nur erst die drei Patienten. Drei Patienten sind eigentlich zu wenig. Ich sollte jeden Tag vier haben, idealerweise auch einen oder zwei Tage in der Woche mit fünf Patienten. Das hatte ich mir ausgerechnet, als ich mich selbständig machte. In einer eigenen Praxis fällt weniger Papierkram an, hatte ich zu Sigurd gesagt, als wir in der Küche unserer alten Wohnung am Torshovparken Pläne schmiedeten und unser Budget in eine Exceltabelle einpflegten, vier Patienten am Tag schaffe ich gut, wahrscheinlich sogar fünf. An den meisten Tagen fünf. Oder wenigstens an einem Tag in der Woche, aber ein bisschen zusätzliches Geld würde ja auch nicht schaden. Wir lachten. »Du sollst dich aber auch nicht zu Tode schuften«, sagte Sigurd. »Das musst du gerade sagen«, erwiderte ich. Er hatte sich zur selben Zeit selbständig gemacht, trug seine eigenen Kalkulationen in dieselbe Exceltabelle ein. Mindestens acht Kunden gleichzeitig, besser noch zehn. Und bei den anderen Partnern aushelfen, wenn sie es brauchten, jede Stunde zählte. »Das werden einige Überstunden«, sagten wir zueinander, »aber wir verdienen damit, Geld für die Gemeinschaftskasse.« Jetzt habe ich mehrere Tage mit drei Patienten und nur ausnahmsweise fünf an einem Tag. Wie kam es dazu? Es war schwieriger als erwartet, Patienten zu finden, und die Jugendlichen sagen oft ab, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Ich knöpfe meine Bluse bis oben zu, ganz anständig. Eine wichtige Sache hatte ich nicht in meiner Rechnung bedacht, damals in der Küche in Torshov, mit dem Licht von Sigurds alter Schreibtischlampe über dem PC und den Blättern, die wir vollkritzelten.


Auch ich, die so gern allein ist, habe ein Bedürfnis nach anderen Menschen. Ich hatte meine Kollegen von der Liste gestrichen und nicht damit gerechnet, dass ich mich einsam fühlen würde. Dass ich dadurch in Passivität verfallen würde. Hätte mir jemand vor einem Jahr erzählt, wie schwer es mir fiele, ein bisschen Werbung zu machen, um zusätzliche Patienten zu gewinnen, wie sehr mir davor grauen würde, ich hätte ihm nicht geglaubt. Für mich ist das Frühstück die beste Mahlzeit des Tages. Ich sitze an unserer Kücheninsel mit der Zeitung, einer Scheibe Brot und einer Tasse Kaffee. Ich esse am liebsten allein. Sigurd geht immer früh zur Arbeit, kippt im Stehen an der Arbeitsplatte einen Kaffee herunter. Ich nehme mir gerne Zeit. Lese die Kommentare in der Aftenposten, die Filmkritiken. Beginne den Tag kontemplativ. Er hat seine Tasse nicht weggeräumt. Da steht sie, neben der Spüle. Die Küchenausstattung gehört zu den wenigen halbwegs fertigen Dingen im Haus, und die Arbeitsplatte ist so glatt, dass ich von meinem Sitzplatz den Halbkreis aus Kaffee unter sei[1]ner Tasse sehen kann. Natürlich. Vielleicht ist es eine weibliche Fähigkeit, einen Kaffeering unter einer Tasse zu erkennen, Krümel unter dem Toaster, Wassertropfen neben der Spüle. Sigurd möchte es schön haben, plant den Umbau des Hauses bis ins letzte Detail, erstellt sorgfältig ausgearbeitete Zeichnungen und beeindruckende Präsentationen mit Grafiken, doch an den kleineren Aufgaben scheitert er. Die Tasse in die Spüle zu räumen. Die Arbeitsfläche abzuwischen. Abends den Laptop wegzupacken. Es sind nur Kleinigkeiten, warum nörgle ich daran herum, warum rege ich mich auf? Andererseits – warum kann er nicht einfach die drei Sekunden aufbringen, die es dauern würde?

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