Trauma

                                                             


Leila wacht auf, und ihr Leben ist nicht mehr dasselbe. Wie ist sie an diesen Ort geraten, in dieses Bett, in diese Psychiatrie? Erinnerungen mischen sich mit Ahnungen, sie hat Angst, sie weiß nicht mehr, wer sie wirklich ist. Wann ist ihr Traum zum Alptraum geworden? Und was hat sie wirklich getan?

 

Nach einem Suizidversuch wird Leila in der geschlossenen Psychiatrie behandelt.

Sie erlebt ihren ganz persönlichen Alptraum, denn sie kann sich nicht an die Nacht erinnern, in der ihr Musikproduzent getötet wurde. Weder ihre Familie noch die Polizei glauben ihr, dass sie sich an nichts erinnert. Innerhalb kürzester Zeit fällt Leila aus ihrem normalen Leben heraus.

Sie versteht immer weniger, was wirklich passiert ist...

... und was sich nur in ihrem Kopf abspielt. Was passiert mit einem, wenn man seiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr trauen kann?

Mit Hilfe der Psychiaterin, Dr. Valentina Freytag, versucht Leila, ihren verschütteten Erinnerungen auf die Spur zu kommen. Was hat Leila getan?

Je näher die beiden Leilas Erinnerungen kommen, umso mehr häufen sich bedrohliche Zwischenfälle auf der Akutstation der Psychiatrie.

Zufall? Oder hat es einer der Mitpatienten auf Leila abgesehen? Ganz langsam erkennt Leila Zusammenhänge, die ihrer großen Angst machen. Wenn sie recht hat, wenn diese Alpträume nun ein Teil ihrer Erinnerungen sind, dann muss sie sich und ihr Leben schützen – um jeden Preis.

Leila eine Bekannte Sängerin wacht in der Psychiatrie auf sie weiß weder Wo sie ist und warum sie an diesem Ort ist. Als sie begreift warum sie Dort ist kann sie es kaum begreifen was Passiert ist den sie hat keine Erinnerung. Während der Zeit kommen immer wieder Erinnerungen zurück die sie erstmal zusammen Puzzeln muss. Die Story wird auch aus der Sicht von Leila erzählt so das man mitten drinnen ist in Ihrem Gefühls Chaos.

So während des Lesens habe ich dann immer Gedacht ah so war das und das war das Motiv und der war der Mörder aber nein ich lag dann doch Falsch, von daher hat mich das Ende überrascht aber im positiven Sinne.

Ich muss sagen ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, da ich wissen wollte an was Sich Leila als nächstes Erinnert und ob wir der Lösung bald nahe kommen.

Leseprobe

Eine Mörderin zu sein ist leicht. Ich steche zu. Immer wieder hebe ich meine rechte Hand und lasse sie herunterfahren. Die Schere dringt in den weichen Körper ein. Wenn man erst einmal den Entschluss gefasst hat, ist es ganz einfach. Die innere Haltung entscheidet. Wenn man keinen Zweifel mehr hat, dass man töten will, kein Zögern einen bremst, dann ist es leicht. Kurz durchzuckt mich der Gedanke, ob ich Grund genug habe, den Mann auf dem Boden vor mir zu töten? Aber wie viel Grund ist genug, um einen Mord zu begehen? Ich sehe Blut auf dem weißen T-Shirt, es breitet sich aus, ich sehe meine Hand und die Schere, eine Wunde, einen Körper, ich höre Dave Brubecks Saxophonklänge von Take Five. Ich sehe noch mehr Blut. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich zugestochen habe. Der Körper auf dem Boden liegt jetzt ganz still. Ich habe ihn besiegt. Er macht mir keine Angst mehr. Er nicht. Plötzlich stottert die Musik. Schauer jagen mir über den Rücken. Misstöne. Quietschen. Die Musik bricht ab. Ich halte inne. Ich bin durcheinander. Aber ich darf jetzt nicht aufhören, auf keinen Fall. Dieser Mann darf nie wieder lügen, dafür muss ich sorgen.

Hinter mir ein Geräusch. Ich blicke mich um. Da ist niemand, keiner sieht mich hier. Doch plötzlich ist sie da, eine Taube schlägt mit den Flügeln, pickt nur wenige Meter entfernt etwas vom Boden auf. Ich starre sie an. Ihre kleinen Knopfaugen sehen mich unverwandt an, sie begreift nicht, was hier passiert. Ich versuche wegzuschauen, ich darf jetzt nicht durch[1]drehen, nicht wegen einer erbärmlichen Taube, aber sie kommt auf mich zu, sie gurrt, grinst, sie schnalzt, als finge sie gleich an, höhnisch zu lachen. Sie kommt weiter auf mich zu, fast kann ich sie berühren mit meiner blutigen Hand, sie nickt mit dem Kopf, sie widert mich an, und dann höre ich es. Sie spricht. Diese verdammte Kreatur spricht zu mir. Ginseng Abu Lasemir. Ginseng. Sie hat keine Scheu, schaut mich direkt an, kommt ganz nahe, streift mein Bein entlang, ich kann mich nicht bewegen, mir wird schlecht. Mit einem Sprung flattert sie auf den Bauch des leblosen Körpers. Sie schaut mich an und gurrt Ginseng. Sie wird immer lauter, schreit buchstäblich auf mich ein. Ich ertrage es nicht mehr, rucke meinen Kopf nach vorn, um sie zu vertreiben, stoße einen furchtbaren Laut aus. Sie flattert auf und fliegt davon. Ich schwitze, bin völlig außer Atem, mein Herz pocht, ich habe Angst, ich fühle mich leer. Jetzt, da sie weg ist, fehlt sie mir. Traurigkeit überschwemmt mich. Wegen einer Taube? Ich weine, rieche den metallischen Geruch von Blut und wische mir den Schweiß von der Stirn.

1

Ich erwache mit dem Gefühl, dass etwas Entsetzliches passiert ist. Ich atme flach und versuche, mich zu konzentrieren. Mir ist kalt. Gänsehaut überzieht meine Arme. Wo bin ich? Ich liege in einem Bett. Es ist nicht meins. Die Matratze ist viel zu weich. Ein Wecker tickt, und ich höre jemanden schnarchen. Ich bin nicht allein. Weißes Licht brennt, ich sehe eine helle Decke, einen großen Raum, der nicht unser Schlafzimmer ist. Ich traue mich nicht, den Kopf zu drehen, schließe lieber wieder die Augen. Von irgendwo hinter mir höre ich das gedämpfte Piepen eines rückwärtsfahrenden LKWs. Wo bin ich, und warum bin ich hier? Es riecht nach Desinfektionsmittel oder Bleiche. Ein Krankenhaus? Trotz meiner geschlossenen Augen merke ich, wie sich Tränen hinter den Lidern sammeln. Ich öffne die Augen wieder und blinzle die Tränen weg. Über mir sehe ich Neonröhren an der Decke. Ich wende den Kopf endlich langsam und schaue mich um. Nur wenige Schritte entfernt steht ein weiteres Bett. Darin liegt eine Frau unter weißer Bettwäsche. Mehr kann ich nicht erkennen. Mein Blick streift durch das Zimmer mit Linoleumboden in Holzoptik, einem Kleiderschrank und zwei roten Sesseln vor einem Fenster. Keine Geräte, Schläuche, Infusionsständer. Neben meinem Bett steht nur ein Wasserglas, es hängt keine Kleidung über der Sessellehne.

Wo sind meine Sachen? Warum bin ich hier? Panik steigt in mir auf. Ich habe Mühe, meine Gedanken zu sortieren. Was ist passiert? Bin ich verletzt? Ich bewege mich vorsichtig und spüre einen reißenden Schmerz im Bauch. Dieses Stechen bringt die Erinnerung zurück. Wie Blitze schießen mir Bilder durch den Kopf. Das Blut. Der Kommissar, der mich gehalten hat. Ich schnappe nach Luft. »Du bist aufgewacht.« Das Zittern in der fremden Stimme ist nicht zu überhören. »Du bist also die Neue. Willkommen auf der Akutstation.« Ich drehe mich zu der Frau um und versuche, meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen, denn ich atme immer schneller. Ich weiß, was passiert ist. Gestern Abend im Polizeipräsidium. Angst kriecht in mir hoch und drückt mir auf die Brust. Die Frau schlägt die Bettdecke zurück, setzt sich auf die Bettkante. Sie hängt sich umständlich eine Brille an einer Kette um den Hals. Ihre grauen Haare reichen ihr fast bis zur Hüfte. Falten durchziehen ihr Gesicht, die von einem langen Leben erzählen. Ihr Blick flattert unruhig hin und her. Altersflecken haben braune Sprenkel in die leichenblasse Haut getupft. Ihre Beine sind erschreckend mager. Sie greift nach einem Rollator, der neben ihrem Bett steht und stemmt sich mühsam hoch. Ihre knotigen Finger umklammern die Griffe so fest, dass ihre Knöchel weiß werden. Ich reagiere nicht auf ihr Lächeln. Ich bemühe mich, nicht einmal zu zwinkern. Keine Angriffsfläche zu bieten. Ich bin wie erstarrt. Aus den Augenwinkeln beobachte ich jede Bewegung der Alten.

»Du bist in der geschlossenen Psychiatrie. Sie sagen, du willst Selbstmord begehen.« Kurz bevor sie mich erreicht, dreht sie ab und führt ihre Wanderung durchs Zimmer fort. »Die lassen dich nicht mehr raus, so viel ist sicher.« Sie sieht mich aus ihren braunen Augen mitleidig an, als sie vor der Tür wendet und zurückkommt. Sie schüttelt den Kopf. Woher weiß sie das alles? Die Frau nähert sich schlurfend dem Fenster. Direkt davor befindet sich eine Baustelle. Ich kann erkennen, dass das Zimmer im Erdgeschoss liegt. Man kann durch die Scheiben einen Bagger sehen, der Erde aushebt. Die Zähne fahren in die Erde, und quietschend hebt sich die Schaufel an. Das Piepen des Baggers beim Rückwärtsfahren ist durch die geschlossenen Fenster zu hören. Ich hasse Baustellen. Darüber ein wolkig-weißer Himmel. Regen peitscht kahle Äste gegen die Scheibe. Herbstkälte. Die Frau beobachtet mich. Wie lange bin ich schon hier? Mein Blick fliegt zum Handgelenk der Frau. Sie trägt keine Uhr. »Ich bin Hanne. Ich wohne in diesem Zimmer. Leila. Leila, ich mag deinen Namen.« Ich muss Maya anrufen. Sie muss mich hier rausholen. Ich will nach Hause zu meiner Tochter. Zu Luna. »Die anderen sagen, du hättest einen Mann erstochen. War er dein Ehemann? Hat er dir was getan?« Die Alte nickt in Richtung meines Eherings. Ich schaue auf meine rechte Hand. Mein Ehering ist breit. Gold. Mit winzigen Diamanten. Nicolai wollte keinen schmalen, bescheidenen Ring. Er bestand darauf, allen zu zeigen: Schaut her, sie ist vergeben, sie gehört mir. »Ich bin vielen Mördern begegnet«, fährt sie fort. »Kriegsgeneration.

Aber eine Frau war nicht dabei.« Sie schaut mich mit durchdringendem Blick an. Ich halte den Atem an. Ich liege in der Psychiatrie, und die fremde Frau hält mich für eine Mörderin. Wie zum Teufel ist mein Leben so aus den Fugen geraten? Ich möchte wieder einschlafen und in meinem eigenen Bett aufwachen. Die Uhr zurückdrehen. Um ein paar Stunden. Um eine ganze Woche. Da war noch alles in Ordnung. Klapsmühle. Endstation. Soll ich schreien? Ist das nicht der richtige Ort, um alle Hemmungen fallen zu lassen? Einmal im Leben auf niemanden mehr Rücksicht nehmen. Sich gehen lassen. Nein, ich kann mich nicht noch einmal gehen lassen. Das kann ich Luna nicht antun. Ich muss zurück zu ihr. Koste es, was es wolle. Warum habe ich gestern nicht an sie gedacht? Im Polizeipräsidium. Warum habe ich da nicht an meine Familie gedacht? Dann wäre ich heute nicht hier, oder? Gestern. Der schwärzeste Tag meines Lebens. Es begann mit dem Alptraum. Dem Alptraum, aus dem ich nicht wieder aufgewacht bin. Es war derselbe wie heute Nacht. Damit fing es an

2

Alles, woran ich mich erinnere, verschwindet immer wieder im Nebel, nur einzelne Bruchstücke tauchen auf, nicht zu fassen, keinen Sinn ergebend. Wie ich gestern abrupt aufgeschreckt bin, mir die Bettdecke vom Körper reiße, die mich zu ersticken drohte. Nach Luft giere. Nicht weiß, was passiert ist…………

 

Nach oben

Menü